Interview mit Roland Volkers von Harry Brot
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In unserer Interview-Reihe „… ’mal unter uns gesprochen“ haben wir uns mit Roland Volkers unterhalten, dem HR Director der Harry Brot GmbH aus Schenefeld in der Nähe von Hamburg. Wir wollten wissen, was die Herausforderungen einer Personalabteilung beim größten deutschen Backwarenhersteller mit über 5.000 Mitarbeitern sind und wie Herr Volkers den Weg zu dieser spannenden Aufgabe gefunden hat. Abgerundet wird das Interview durch ein paar private Einblicke und Infos zu der ganz persönlichen Work-Life-Balance.
Sowohl als Kind als auch bedingt durch Jobs sind Sie viel herumgekommen. Wohin fühlen Sie sich denn heimatlich verbunden und wie haben Ihre Stationen Sie geprägt?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es überall schön sein kann, wenn man sich auf den Ort, die Menschen und die Kultur einlässt. Und das ist auch die Hauptprägung: Neugierig bleiben und Neues erstmal auf sich wirken lassen und aushalten. Ein gutes Urteil braucht Zeit.
Nach dem Jura-Studium ging es bei Unilever in das Personalmanagement. Wieso dieser Schritt und inwieweit hat das juristische Fachwissen geholfen?
Unilever bot sich für mich an, weil das Unternehmen ausdrücklich Juristen für den Personalbereich suchte. Zudem reizte mich die Internationalität des Konzerns.
In meiner Karriere hat es mir jedoch geholfen, die Juristerei zunächst hinten an zu stellen. Entscheidend ist, dass man gute Lösungen findet. Die findet man jedoch nicht, wenn man Gesetzestexte wälzt. Fühlt sich ein Arbeitnehmer grundsätzlich bei seinem Arbeitgeber gut aufgehoben, spielen arbeitsrechtliche Fragestellungen keine wichtige Rolle. Das Arbeitsrecht wird erst dann relevant, wenn das Verhältnis gestört ist. Ist das Verhältnis aber gestört, kann auch das Arbeitsrecht dies nur selten heilen. Jura ist für mich ein hilfreiches Handwerkszeug, um getroffene Entscheidungen und Sachlagen richtig einzuschätzen und auch rechtlich zu fundieren. Es sollte auch klar sein, dass Jura nicht dazu geeignet ist, Vertrauen aufzubauen oder kreativ und gemeinschaftlich nach Lösungen zu suchen. Wer zu allererst in juristischen Dimensionen denkt, der wird sich den Weg zur Lösung verbauen.
Welche Ihrer Stationen war die herausforderndste und durch welche Tätigkeit haben Sie am meisten gelernt?
Jede berufliche Station hat sich mit den ihr eigenen Aufgaben deutlich von der vorigen unterschieden. Doch eines hatte alle gemeinsam: Die größten Herausforderungen waren stets die Begegnungen und Auseinandersetzungen mit Menschen, die anders „tickten“ als ich und folglich die von mir vertretenen Positionen in Frage stellten. Ich habe gelernt, diese klugen und unbequemen Gesprächspartner als Bereicherung zu empfinden. Das hat mich persönlich und beruflich weitergebracht.
Nach zehn Jahren bei der iglo GmbH: mögen Sie noch Fischstäbchen?
Zu allen Marken, für die ich gearbeitet habe, gibt es bis heute eine unverändert hohe emotionale Bindung. Das trifft auf iglo ebenso zu wie auf Homann und jetzt Harry-Brot. Jedoch mehr noch als den Marken fühle ich mich den Menschen verbunden, die diese Produkte herstellen.
Aktuell sind Sie bei Harry, Deutschlands größtem Bäcker, als Personalleiter tätig. Was unterscheidet ein Unternehmen im Familienbesitz von einem börsennotierten Unternehmen?
Das kann man pauschal nicht sagen, denn es gibt bestimmt auch Unternehmen im Familienbesitz, die sich nicht groß von börsennotierten Unternehmen unterscheiden und auch bei börsennotierten Unternehmen gibt es sicherlich große Unterschiede.
Ich kann aber sagen, was Harry so besonders und anders macht. Und das ist eine ganze Menge. Da ist die Langfristigkeit in der Strategie und Führung, die flache Hierarchie und starke regionale Verantwortlichkeiten. Prägend ist auch das Wechselspiel zwischen dem hohen Verantwortungsgefühl für die Mitarbeiter und der hohen Verantwortlichkeit der Mitarbeiter.
Im Kern ist bei Harry vieles althergebrachte Unternehmenskultur, was man jetzt wieder neu unter agilem Management versteht: Unternehmerisches Denken und der entsprechende Handlungsfreiraum, schlanke Strukturen, viel Blick nach Vorne und wenig Rechtfertigung nach Hinten, hohe Verantwortlichkeiten und sehr viel Vertrauen. Und all das bei kompromisslosem Bekenntnis zu Frische, Qualität und Service.
Sie beschäftigen über 5.000 Mitarbeiter. Welche Herausforderungen haben Sie zu bewältigen und welche Positionen sind in der Besetzung besonders kniffelig?
Natürlich stellt der Arbeitsmarkt uns vor Herausforderungen und auch wir haben Schwierigkeiten, alle Vakanzen rechtzeitig zu besetzen. Aber nicht nur bei Harry gilt: Der größte Treiber für Vakanzen ist die Fluktuation. Der viel stärkere Hebel als die Rekrutierung ist also die Verhinderung von Fluktuation. Selbst durch sehr gutes Anwerben kann man nie das Defizit ausgleichen, was durch schlechte Mitarbeiterbindung entsteht. Das hat Harry schon immer beherzigt und das bleibt auch weiterhin so.
Bei Ihnen arbeiten viele Auszubildende. Haben Sie den Eindruck, dass sich bei der Generation der Absolventen etwas in Sachen Motivation und Leistungsbereitschaft verändert hat?
Nein. Schon immer wurde der Jugend vorgeworfen, sie sei nicht so leistungsbereit und motiviert wie die Elterngeneration. Das hat in dieser Allgemeinheit noch nie gestimmt. Was sich geändert hat ist die Bewerberstruktur. Diese Veränderung liegt aber am Arbeitsmarkt. Die Tatsache, dass Schulabsolventen derzeit vermehrt lieber einer akademischen Laufbahn folgen wollen und sogar dual studieren, widerspricht doch der Annahme, dass es ein Defizit an Motivation und Leistungsbereitschaft gäbe.
Sie haben selbst drei Kinder, die kurz vor dem Einstieg in die Arbeitswelt stehen. Welche Empfehlung haben Sie ihnen gegeben und inwieweit unterstützen Sie bei der Berufswahl?
Da bin ich gelassen. Ich glaube, dass nicht nur meine Kinder ihren Weg unabhängig davon gehen, welche Entscheidungen sie hinsichtlich Schulform, Lehre, Studium treffen. Ich hätte mit 18 auch nicht gedacht, dass ich mal Personalleiter werde. Ich habe einen Beruf gefunden, der zu mir passt. Und ich bin sicher, dass das auch meinen Kindern so gehen wird, egal was sie jetzt gerade machen.
Zu Ihren Hobbies zählt die Imkerei. Wie sind Sie zu dieser exotischen Leidenschaft gekommen und was ziehen Sie für sich aus der Arbeit mit Bienen und was gehört noch zu Ihrer Work-Life-Balance?
Als Jugendlicher habe ich meinen Vater bei der Imkerei geholfen. Mit dem Auszug aus dem Elternhaus war damit dann zunächst lange Schluss. Erst als mein ältester Sohn so alt wurde wie ich damals war, äußerte er den Wunsch, dieses Handwerk zu erlernen, so dass ich wieder anfing. Es erfüllt einen jungen Menschen mit Stolz, etwas Besonderes zu können.
Heute weiß ich viel mehr als damals, was ich durch diese Beschäftigung gelernt habe. Bei der Imkerei muss man gelassen bleiben, egal wie hektisch das Drumherum ist. Man muss planvoll und entschieden handeln und darf sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Man muss offen bleiben für Neues und Überraschungen, denn auch die Imkerei entwickelt sich weiter. Und man muss die Arbeit mögen, denn trotz aller schönen Seiten: es bleibt Arbeit. Und so handhabe ich das auch mit meinem Beruf. Für mich ist das eher Life-Balance als Work-Life-Balance.
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