Interview mit Dr. Isabell Lütkehaus (Mediatorin, Buchautorin & Coach, Rechtsanwältin / luetkehaus.berlin)
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Seit 2004 ist sie Inhaberin der KonsensKanzlei in Berlin und arbeitet erfolgreich & fokussiert auf Themen wie: Mediation, Supervision und Coaching im betrieblichen sowie privaten Umfeld. Isabell Lütkehaus ist eine spannende Persönlichkeit, die auf eine bunte Vielfalt an Lebenserfahrung zurückblickt und eine ganz eigene, spannende Sicht der Dinge hat. Im Zuge der Veröffentlichung Ihres neuen Buches „Cross Generation Intelligence“, was aktuell über den Haufe-Verlag herausgegeben wird, haben wir mit Ihr sprechen können.
1. Auch wenn wir es mittlerweile ein wenig Leid sind, so wollen wir trotzdem mit dem Thema der Pandemie starten. Erzähle uns, wie Du die letzten Monate wahrgenommen hast und damit umgegangen bist.
Ich nahm Corona schon sehr früh ernst, da ich 2002 während der SARS Epidemie in Singapur lebte. Atemmasken im Taxi, strenge Auflagen für Meetings sowie Gesundheitskontrollen an Flughäfen sind mir in lebhafter Erinnerung. Nachdem ich Anfang März noch an einem großen Kongress in NRW teilnahm, empfand ich direkt nach meiner Rückkehr die umfassenden Schutzmaßnahmen als heftigen Umbruch. Mich überraschte, wie in der Politik Gesundheit konsequent als höchstes Gut eingeordnet wurde und bin beeindruckt, wie schnell und gut wir uns an die neue Lebenssituation gewöhnten.
2. Welche Auswirkungen hatte Covid-19 auf Dein ganz eigenes Geschäft?
Ich arbeite bereits seit vielen Jahren regelmäßig und gern online, stellte früh um und führte Coachings und Mediationen digital weiter. Nur Ausbildungen/Trainings und Workshops mit großer Teilnehmerzahl wurden auf später im Jahr verlegt. Zudem hatte ich Glück, dass ich über Ostern ohnehin mein neuestes Buch schreiben wollte, dies konnte ich vorziehen und die Lockdown Ruhe dafür wunderbar nutzen. Zwischenzeitlich biete ich wieder alles an, unter Beachtung sämtlicher Vorschriften, und merke die Auswirkungen vor allem daran, dass Unternehmen und Privatpersonen zwar ausreichend Themen für Coachings und Mediationen mitbringen, aber gleichzeitig weniger Budget, auch für Workshops und Trainings. Hier vermute ich, wird sich der Bedarf mittelfristig durchsetzen und bereits jetzt zeichnet sich ab, dass bei mir Herbst und Winter sehr arbeitsam sein werden.
3. Wir sind der festen Überzeugung, dass die Geschehnisse der letzten Monate dafür Sorge tragen, dass dezentrales Arbeiten ab sofort kein Exotendasein mehr fristet, sondern fest in unsere Arbeitsabläufe branchenübergreifend integriert wird. Siehst Du das genauso und was glaubst Du, haben Menschen und Wirtschaft daraus noch an Lehren gezogen?
Unternehmen haben während Corona erkannt, dass dezentralisiertes Arbeiten sehr gut funktionieren kann. Gestern erzählte mir ein Coachee, der bei einer Bundesbehörde arbeitet und drei Kinder hat, dass er vor Corona nach langen Diskussionen gelegentlich mal einen Tag ausnahmsweise im Home Office arbeiten durfte; jetzt sind es ganz selbstverständlich drei pro Woche. An Eigenverantwortung und Vertrauen geknüpfte Führung sowie Dezentralität in der Zusammenarbeit werden insgesamt mehr Raum erhalten. Dies bedeutet mehr Loslassen, Delegieren und Vertrauen für Führungskräfte, und umgekehrt mehr Verantwortung, Eigeninitiative und Selbstorganisation für Beschäftigte. Nach Corona bleiben werden alle Arten von Online Meetings. Ich habe attraktive Anfragen für Webinare bis weit ins nächste Jahr hinein, vor Corona kam so etwas nur vereinzelt vor; meistens als kostenlose Werbemaßnahme angeboten; hier hat sich die Wertigkeit verändert. Positive Erfahrungen mit Online Arbeiten während des Lockdowns konnten Skeptiker aller Generationen überzeugen. Einige meiner Klienten waren diesbezüglich anfangs sehr zögerlich, mussten fast schon überredet werden, es zumindest einmal auszuprobieren. Und oft stimmten sie nur zu, weil die Situation so schwierig und dringlich war, dass nicht weiter abgewartet werden konnte. Die meisten waren dann sehr positiv überrascht, wie gut die Zusammenarbeit online funktionierte und wie effizient wir Ergebnisse finden konnten. Und merkten, dass es bei schwierigen Themen sogar von Vorteil sein kann, sich nicht in einem Raum, sondern sicher im eigenen Home Office zu befinden. Zudem entfallen Anreisen, wodurch Termine mehr am Bedarf und weniger am Kalender festgemacht werden können. So müssen Mediationen in anderen Städten beispielsweise nicht mehr an zwei Tagen am Wochenende nach einer intensiven Arbeitswoche stattfinden, sondern es können kürzere Sitzungen unter der Woche durchgeführt werden. Ich vermute, insgesamt wird die Notwendigkeit für Geschäftsreisen zukünftig genauer geprüft und für ein kurzes Meeting fliegt auch nach Corona kaum noch einer von Hamburg nach Stuttgart.
4. Du hast, ganz aktuell, gemeinsam mit Ulrike Straßer, ein sehr spannendes Buch mit dem Titel „Cross Generational Intelligence“ über den Haufe-Verlag herausgebracht. Ihr beschäftigt Euch hier mit den Chancen durch generationsübergreifendes Arbeiten. Was ist der Antrieb für Dich gewesen, dieses Thema aufzugreifen?
Als Mediatorin arbeitete ich vor zwei Jahren in einer Organisation, bei der nach einem ca. 15jährigen Einstellungsstopp zwei Generationen fast wie unter Laborbedingungen zusammenarbeiteten: zwei Drittel der Teammitglieder waren mindestens Mitte Fünfzig (Babyboomer *1950–1965) und das andere Drittel Mitte Zwanzig (Generation Y *1980 - 1994). Die Organisation bestand aus vier Abteilungen und nur in einem (kleinen) Team klappte die Zusammenarbeit sehr gut, bei allen anderen gab es tiefe Gräben zwischen den Generationen sowie lähmende Konflikte in der Zusammenarbeit. Einarbeitung und Austausch fanden so gut wie gar nicht statt, Vorurteile prägten das Miteinander. Mich interessiert, wie Generationenkonflikte entstehen, frühzeitig erkannt und positiv genutzt werden können. Denn dies ist kein theoretisches Thema, sondern hat enorme praktische Auswirkungen. In Unternehmen mit (Generationen-)Konflikten sinken nachweisbar Motivation und Produktivität und dafür nehmen Krankenstand und Kündigungen zu. Hauptgrund für einen arbeitnehmerseitigen Weggang ist der Eindruck mangelnder Wertschätzung durch Kollegen und Führungskräfte.
Insbesondere jüngere Mitarbeiterinnen bleiben nicht in Unternehmen, in denen sie sich nicht wohl fühlen; bedingungslose Loyalität, gepaart mit einem Wunsch nach materieller Sicherheit nehmen seit der Nachkriegsgeneration (*1935-1949 ) kontinuierlich ab. Verstärkt durch das Wissen, am Arbeitsmarkt gebraucht zu werden, ziehen jüngere Mitarbeiterinnen schnell weiter, wenn sie sich nicht wohl fühlen. Umso wichtiger ist es für Unternehmen herauszufinden, wie sie gute Mitarbeiter nicht nur gewinnen, sondern auch halten können. Und dies gilt nicht nur für junge Kollegen, die derzeit viel Aufmerksamkeit bekommen, sondern für gute Arbeitskräfte jeden Alters. Aufgrund der demografischen Entwicklung und des bald sämtliche Branchen umfassenden Fachkräftemangels, werden in nächster Zukunft auch erfahrenere Arbeitskräfte zunehmend an Wertschätzung gewinnen und erhalten auch sie attraktive Möglichkeiten der beruflichen Umorientierung.
In unserem Buch untersuchen wir, unter welchen Voraussetzungen mehrere Generationen im Unternehmen als Bereicherung und Ressource angesehen werden und wie das Miteinander in Team und Führung erfolgreich funktionieren kann. Und gleichzeitig ist es uns sehr wichtig, Menschen nicht in Schubladen zu stecken, sondern Untersuchungen zu Generationen als erste Erklärungsversuche anzubieten, mit der Einladung, genauer hinzusehen.
5. Wir, als Personalberatung, sind ebenfalls Verfechter davon, dass die unterschiedlichen Altersschichten Hand in Hand miteinander arbeiten, voneinander lernen und somit ein fließender Generationenübergang in den Unternehmen stattfindet. Oftmals jedoch ist eher der Wunsch Vater des Gedanken und das daraus resultierende Konfliktpotential hoch. Welche Tipps hast Du für unsere Leser, dass es zu keinem Generationenkonflikt kommt, sondern eine erfolgreiche Zusammenarbeit realisiert werden kann?
Als Generation fassen wir 15 Geburtenjahrgänge zusammen. Die ähnlichen Umstände, in die sie hineingeboren werden, vergleichbaren prägenden Erlebnisse in Kindheit und Jugend führen zu einem Gefühl der Zusammengehörigkeit, zu ähnlichen Wertemuster. Es macht einen Unterschied für z.B. die Arbeitshaltung, ob man im entbehrungsreichen Krieg aufwächst, in der blühenden Wirtschaftswunderzeit, einer lähmenden Rezession oder in Zeiten von Überfluss und unbegrenzten Möglichkeiten. Meine Generation X (*1965–1979) prägt zum Beispiel der Mauerfall, und zwar ganz unterschiedlich je nachdem, auf welcher Seite der Mauer man aufgewachsen ist. Neulich überlegte ich für einen Generationen-Workshop, was wohl die nun heranwachsende Generation alpha prägen wird, und als die Veranstaltung dann Mitte März wegen Corona ausfiel, hatte ich eine erste Idee...
Die Zusammenarbeit innerhalb derselben Generation ist für uns einfacher, zum Beispiel weil wir eine ähnliche Sprache sprechen und eine vergleichbare Arbeitshaltung haben. Wir nehmen wahr, dass Vertreter anderer Generationen anders sind, eine unterschiedliche Herangehensweise an den Tag legen, andere Erwartungen und Bedürfnisse haben, sich anders ausdrücken. Ob wir dies als Bereicherung oder Bedrohung wahrnehmen, hängt von ganz vielen Aspekten ab: der konkreten Situation, unserer Persönlichkeit, der Art und Weise der Zusammenarbeit sowie der Unternehmenskultur. Generationenkonflikte beginnen zunächst mit Zuschreibungen (Stereotypen), die wiederum unsere Wahrnehmung beeinflussen und sich durch emotionale Verstärkung zu Vorurteilen verfestigen. Empfinden wir beispielsweise eine gleichaltrige Kollegin als angenehm, dann kann es gut sein, dass wir dies derselben Generationenzugehörigkeit zuschreiben („Auf uns Babyboomer kann man sich eben verlassen“). Umgekehrt erklären wir uns möglicherweise negative Erlebnisse mit Jüngeren oder Älteren mit deren Generationenzugehörigkeit („Ganz schön verwöhnt, die jungen Leute“). Dadurch können Gräben zwischen den Generationen entstehen. Auf der Sachebene liegen die Gründe am häufigsten in unterschiedlichen Erwartungen an die Zusammenarbeit, verschiedener Arbeitshaltung, unvereinbar erscheinenden Vorstellungen zum Beispiel zu Work-Life-Balance, zu Arbeitszeiten, zum Führungsverständnis und Kommunikation, unterschiedliche Vorstellungen zu Häufigkeit, Form und Inhalt von Feedback.
Das Unverständnis für die jeweils andere Generation der Belegschaft heute ist insofern interessant, als privat sich die Generationen heutzutage viel besser verstehen als noch vor 50 Jahren. Junge Menschen grenzen sich kaum noch von ihren Eltern ab, diese sind ihre wichtigsten Ratgeber und Freunde und umgekehrt werden sie zu Hause schon als Kleinkind um ihre Meinung gefragt und ernst genommen. In der Zusammenarbeit sieht das anders aus, insbesondere unterschiedliche Arbeitshaltung aber auch Erwartungen treffen auf gegenseitiges Unverständnis. Gründe hierfür sind meines Erachtens u.a. auch Neid und Ängste.
Das Umwerben junger Arbeitskräfte erleben langgediente Mitarbeiter als überzogen und gleichzeitig fürchtet sich manch einer davor, von den Jungen überrundet zu werden. Sie selbst mussten sich ihre Stellung im Unternehmen noch über Jahrzehnte hart erarbeiten und manch ein Neuling scheint eine Abkürzung zu kennen. Hier ist es wichtig, dass Unternehmen trotz des Werbens um junge Menschen, die langgedienten Arbeitskräfte nicht aus dem Blick verlieren, diese weiterhin fördern und einbeziehen.
Voneinander und miteinander Lernen, sowie gute Zusammenarbeit, auch Übergaben an die Nachfolge, sind nur in einer offenen und angstfreien Unternehmenskultur möglich. Wo Fehler erlaubt sind, wo Konflikte nicht ignoriert, sondern konstruktiv genutzt werden. Als Startschuss für ein besseres Miteinander kann hier ein Generationen-Workshop dienen, in dem sich die Generationen auf spielerische Weise gegenseitig vorstellen, wo sie gemeinsam in einem sicheren Umfeld Aufgaben lösen und konstruktive Zusammenarbeit üben. Wichtig sind außerdem Trainings für Führungskräfte, um das eigene Führungsverhalten zu reflektieren, um eine positive Fehler- und Konfliktkultur zu etablieren, um Verständnis für die Erwartungen der jüngeren Generationen zu stärken und gleichzeitig den Einbezug und die Förderung der derzeit noch aktiven älteren Generationen zu verbessern. Beides bieten wir erfolgreich in Unternehmen an, ebenso wie Mediation, wenn sich bereits Konflikte abzeichnen, wodurch die Zusammenarbeit erschwert wird.
6. Wie hat sich, aus Deiner Sicht heraus, das Thema Führung in den Generationen verändert?
Am Beispiel Führung und Führungsverständnis lässt sich der Wandel der Generationen besonders gut darlegen. Die Nachkriegsgeneration (*1935–1949), die zum Teil weiterhin als Unternehmer oder Freiberufler in der Arbeitswelt aktiv ist, erlebte selbst noch ein streng hierarchisch und patriarchisch geprägtes Führungsverständnis und viele geben dies auch weiter. Nicht alle, natürlich - sämtliche generationsbedingte Aspekte bilden nur einen Teil der Persönlichkeit. Die Generation der Babyboomer lehnte sich hiergegen zum Teil auf, die meisten von ihnen machten aber dennoch unter einer solchen hierarchischen Führung Karriere. Sind sie dann selbst Führungskraft, arbeiten sie entweder genauso weiter oder sie leiten Veränderungen der Führungskultur ein, praktizieren demokratische/partizipatorische Führungsstile oder gar Laissez-Faire. Innerbetriebliche Arbeitnehmermitbestimmung und die Stärkung der Gewerkschaften gingen damit einher. Die Generation X erlebte oft noch hierarchische Strukturen, aber auch schon partizipatorische Elemente und führt selbst situativ, also je nach sogenanntem Reifegrad eines Teams. Die gezielte Förderung und Entwicklung von Mitarbeitern wurde und wird durch diese Generation zum Kern der Personalführung. Die Generation Y (*1980 - 1994) lernte bereits als Kind zu Hause ernst genommen und in Entscheidungsprozesse einbezogen zu werden, ebenso die Generation Z (*1995–2009). Sie erwarten dies dann auch vom Arbeitgeber, möchten mitreden und mitgestalten, und können mit streng hierarchischer Führung nicht so gut umgehen. Führungskräfte der Generation Y (und vermutlich auch Z) zeigen einen transformationalen Führungsstil, mit flachen Hierarchien und dezentralisierten Entscheidungsfindungsprozessen; projektbezogene Kompetenzen entscheiden, Inspiration geht vor Kontrolle.
7. Wir befinden uns alle in einem fulminanten Epochenwandel. Die Digitalisierung hat auf eine besonders schnelle Art & Weise Besitz vom Menschen ergriffen und ist ein Thema, was nicht mehr wegzudenken ist. Wo siehst Du die größten Probleme, als auch die gewinnbringenden Vorteile, wenn wir von Digitalisierung und „Digital Natives“ sprechen?
Die Corona Pandemie verdeutlicht uns den enormen Segen der digitalen Vernetzung. Wie gut es trotz plötzlichem umfassenden Lockdown möglich war, weiter zu kommunizieren und zu arbeiten - ohne Digitalisierung unvorstellbar. Auch privat fühlten sich die meisten von uns trotz körperlicher Distanz eng mit den Liebsten verbunden. Als Kehrseite kann man Kanäle und Plattformen für Verschwörungstheorien, rechte Strömungen sowie Fake News, Reizüberflutung und Shitstorms auf Social Media benennen. Vermutlich halten wir das aus und ich sehe es gleichzeitig als gutes Signal, dass Vertreter sämtlicher Generationen in solchen Zeiten wieder ganz klassisch Nachrichtensendungen sehen, also fundierten Journalismus zu schätzen wissen.
Das Wort „Digital Natives“ wird übrigens sehr unsauber genutzt. Es gilt oft als Sammelbegriff für die Generationen ab Y und suggeriert, dass alle in eine Welt mit Internet hineingeboren wurden. Dies stimmt insofern nicht, als dass das Internet erst ab 1995 öffentliche Verbreitung gefunden hat. Die im Jahre 1981 geborenen Vertreter dieser Generationen waren dann bereits 14 Jahre alt, sie erlebten also eine Kindheit und frühe Jugend ohne Internet. Erst die Generation Z kann insgesamt als „Digital Natives“ bezeichnet werden, alle davor sind frühe oder späte „Digital Immigrants“.
Abgesehen davon ist die Digitalisierung ein gutes Beispiel für ein Thema, das nicht generationenbezogen ist, sondern als Mega-Trend gilt, kurz gesagt also alle Generationen gleichermaßen betrifft, wenn auch in unterschiedlichem Maße. So werden heute beispielsweise keine Bewerbungsmappen mehr verschickt, sondern online übermittelt, und das gilt für alle Bewerber/innen jeden Alters. Vertreter aller Generationen lernen - zumindest solange sie berufstätig sind - online zu arbeiten, unabhängig davon, wie leicht es ihnen fällt, digital und vernetzt zu denken. Das kann damit zusammenhängen, wie früh sie es lernten, muss es aber nicht.
Vertreter jüngerer Generationen teilen viel selbstverständlicher Informationen, für sie ist, gerade aufgrund der heute im Vordergrund stehenden Individualität, umfassende Vernetzung überlebensnotwendig, online und offline, privat und beruflich. Bei der jüngsten Generation in der Arbeitswelt, der Generation Z, ist außerdem bereits eine leichte Gegenbewegung erkennbar. Wie jede Generation grenzt sie sich von der unmittelbaren Vorgängergeneration Y ab, unter anderem dadurch, dass sie wieder mehr offline ist, nicht immer und für jeden erreichbar, und wieder deutlicher zwischen Beruf und Privatleben unterscheidet.
8. Wie „digital“ bist Du denn mittlerweile unterwegs? Was nutzt Du in Deinem privaten, als auch beruflichen Alltag, was lässt Du weg?
Als Teil der Generation X gehöre ich zu den „Digital Immigrants“ und war schon früh technik-, computer- und webaffin. Als ich an der Universität München promovierte, hatten wir am Lehrstuhl einen eigenen Server und damit bereits Anfang der 1990er-Jahre E-Mail und Internet. Der nahezu unbegrenzte Zugang zu Informationen begeistert mich ebenso wie jede Form von schriftlicher Kommunikation. Da ich selten telefoniere, schrieb ich bereits ausführliche SMS, als man diese noch umständlich buchstabieren musste. Mich fasziniert außerdem der Gedanke der Vernetzung, mehr noch themenbezogen wie bei Instagram und Twitter als personenbezogen wie bei Facebook; am liebsten kombiniert, wie z.B. bei LinkedIn. Ich nutze tatsächlich nahezu alles, beruflich und privat und lasse fast nichts weg. Manchmal lege ich internetfreie Tage oder zumindest Abende ein, dann lese ich ein Buch, Buchstaben auf Papier, und merke, dass es den Augen guttut, nicht in einen Bildschirm zu schauen, und mich insgesamt zur Ruhe bringt. Daher nutze ich auch keinen eBook-Reader, so praktisch diese für unterwegs sein mögen.
9. Du bist ja nicht nur in der Wirtschaft aktiv, sondern auch sehr erfolgreiche Mediatorin im familiären Bereich. Sind, Deiner Meinung nach, Familie & Beruf heutzutage noch vernünftig in Einklang zu bringen und ist das Familien-Modell, wie wir es aus den letzten Jahrzehnten kennen, heutzutage eigentlich noch praktikabel?
Die Nachkriegsgeneration lebte noch das klassische Einverdiener-Modell: die Frau kümmerte sich um Haushalt und Kinder, der Mann verdiente das Geld. Eine Frage der Vereinbarkeit stellte sich nicht, Väter waren vor allem abwesend und beruflich erfolgreiche Frauen hatten oft keine eigenen Familien. Selbst bei den Babyboomern, die ja teilweise genau dagegen rebellierten, und bei der als unabhängig und individuell angesehenen Generation X änderte sich letztlich noch nicht so viel. An Universitäten machten Frauen in meinem Studium bereits mehr als die Hälfte der Absolventinnen aus und wählten oft ambitionierte Berufe. Sobald Kinder kamen, übernahm dennoch weiterhin die Frau deren Betreuung samt Haushalt, ggf. zusätzlich zu ihrem Beruf, zum Beispiel nach einer Babypause in Teilzeit. Bei jungen Eltern der Generation Y erlebe ich dies deutlich anders. Bereits während der Beziehung sind beide beruflich ähnlich engagiert und gleichermaßen für Kinder und Haushalt zuständig. Daher ist es dann fast schon selbstverständlich, dass nach einer Trennung das Wechselmodell (übrigens das Thema meines neuesten Buches) die Regel ist. Durch die gleichberechtigte Elternschaft, auch im Alltag, wird für beide die Vereinbarkeit von Beruf und Familie möglich.
10. Die letzte Frage, bevor wir Dich wieder aus dem Interview entlassen. Was ist es, was Du jungen Menschen bei ihrer Berufsfindung, und für das Leben, mit auf den Weg geben möchtest?
Als junger Mensch fand ich es sehr schwer, mich für einen Beruf zu entscheiden, viele Möglichkeiten kannte ich überhaupt nicht. Wenn ich nochmal jung wäre, würde ich mich sehr viel besser informieren und mehr ausprobieren. Ins Ausland gehen, verschiedene Branchen testen und unterschiedliche Arbeitsformen kennenlernen, mich immer wieder fortbilden und weiter qualifizieren. In diese Richtung geht auch der Trend, generell und verstärkt bei den jüngeren Generationen. Lineare Lebensläufe werden seltener. Nach einer ersten Ausbildung legen viele ein Auslandsjahr ein, danach arbeiten sie einige Jahre, machen sich ggf. mit einer Geschäftsidee selbständig, danach kommt ein Bachelor- oder Masterstudiengang, und dann ggf. eine weitere Anstellung. Es gibt so viele Möglichkeiten, da fällt die Auswahl schwer und oft ist vorher nicht erkennbar, was einem im beruflichen Alltag dann tatsächlich erwartet. Auch nicht mehr so junge Menschen möchte ich ermutigen, sich weiter zu bilden, und, wenn sie in ihrer aktuellen beruflichen Situation unzufrieden sind, sich neu zu orientieren. Dafür ist es nie zu spät. In meinen Coaching- und Mediationsausbildungen sitzen viele Mittvierziger/innen und Ältere, sehr interessiert und motiviert, und starten nochmal ganz neu durch. Ich verabschiedete mich mit Ende 30 von meiner Unternehmensberatung und wählte meinen heutigen Beruf, mit dem ich sehr glücklich geworden bin. Also möchte ich Jung und Alt zu lebenslangem Lernen ermutigen und zu (beruflichen) Veränderungen, wenn sie sich nicht mehr wohl fühlen.
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